Generationen als Konfliktzonen
Datum
21. Oktober 2022
Schlagwörter
Generationen Jugend Zukunft
Die “Gen Z” würde sich nur für Instagram und Netflix interessieren und die “Boomer” haben zu wenig Feingefühl. Tausende Menschen in unterschiedlichsten Lebenslagen werden mit wenigen Zeilen auf wenige Schlagworte reduziert. Wenn man 20min.ch (siehe Link unten) glauben möchte, dann tobt ein eigentlicher Generationenkonflikt.
In den Kommentarzeilen wird die Diskussion dann weiter angeheizt, so schreibt ein Leser, dass “die Generationen, bei welchen Internet, Influencing, Smartphone und Netflix […] zum Alltag der Eltern gehört, schlichtweg keine Chance haben, jemals zu erlernen oder zu erkennen, was echte Arbeit ist.”
Die einen beschwören den Untergang unserer Zivilisation herbei, während die anderen mit einem guten Händchen für Marketing den heutigen und morgigen Wirtschaftsführer:innen einzureden versuchen, dass diese neue Generation nun ganz andere Bedürfnisse habe.
Für einige scheint die Vorstellung attraktiv zu sein, gänzlich anders zu sein, wie alles, was schon mal war. Für andere ist es gerade umgekehrt. Das Beständige ist bedroht. Projiziert auf die Mitmenschen entstehen überspitzte und von Vorurteilen durchdrängte Generationenbilder. Tatsächlich sehen wir in diesen Auseinandersetzungen jedoch mehr die Sehnsüchte und Ängste einzelner Generationenvertreter:innen wie die Gestalt ganzer Generationen.
In den Hintergrund rückt, dass die heutigen Kinder und Jugendlichen weit stärker vom Klimawandel betroffen sein werden, wie diejenigen, die die Folgen schon gar nicht mehr erleben werden. Der Vormarsch von Autokratien, der Zusammenbruch demokratischer Strukturen in den USA und weiteren Ländern sowie die damit einhergehenden Verwerfungen könnten das 21. Jahrhundert prägen und unvorstellbare Folgen haben.
Dass sich die virtuelle mit der realen Welt zu einem Hybrid vermengt hat, steht zwar in einem komplexen Zusammenhang zu all diesen Entwicklungen, ist aber nicht wirklich tragisch. Dass sich sogar die Pro Senectute im Metaverse Grundstücke sichert und diese mit virtueller Kunst finanziert, dürfte ein Anzeichen dafür sein, dass diese lebensweltlichen Erfahrungsräume langsam aber sicher sämtliche Generationen durchdringen.
Die aktuelle Debatte versucht einen Gegensatz zu zeichnen, den es so nicht gibt. Dass viele Jugendliche die technischen Möglichkeiten deutlich intuitiver und selbstverständlicher nutzen, zeichnet diese Generation aus, macht sie jedoch nicht komplett verschieden.
Auch sind heutige Jugendliche insgesamt deutlich häufiger von Stress und Leistungsdruck betroffen. Dies wirkt sich auf die Gesundheit aus. Es sind jedoch die Umstände unserer Welt, die dies verursachen und nicht die Generation. Glückselig, wer in weniger stressigen Zeiten den Umgang mit Stress erlernen durfte.
Wer die Bedürfnisse von Jugendlichen verstehen möchte, sollte mit Jugendlichen in den Dialog treten und sich nicht von den vielen selbsternannten Generationenexpert:innen blenden lassen.
(1) https://www.20min.ch/story/gen-z-interessiert-sich-nur-fuer-instagram-und-netflix-982744690853