Illustration

im Zug von Belgrad nach Zürich


Datum
4. Januar 2012

Schlagwörter
Belgrad   Grenze   Migration  

Im Zug von Belgrad nach Zürich. Wir sitzen im Zug und fahren, direkt nach dem Bahnhof kommt ein Hochhaus. Ein Hochhaus mit verspiegelten Fenstern, ein Hochhaus für Büros der gehoberen Art. Das Hochhaus mehrere Meter hoch umzäunt und von einem saftigen grünen Rasen umgeben. Angrenzend an den Zaun eine Siedlung aus Wellblech und Plastikplanen. Kinder spielen auf einem Trampelweg. Ein Zaun und daneben eine Wellblechsiedlung. Der Zaun, eine Grenze zwischen dem Reichtum und der Armut.

Der Zug gewinnt an fahrt und wir werden immer schneller. Vorbei an kleinen Siedlungen und grösseren Ortschaften. Halbfertige Häuser, ein moderner Traktor, dann wieder ein Karren mit einem Esel. Oftmals ist die Landschaft menschenleer, nichts ausser Felder, einem Wald und ab und an mal ein kleines Haus. Die Landschaft wirkt nicht wirklich anziehend, vielleicht liegt es aber auch einfach nur am Wetter und der Jahreszeit, es ist Herbst.

Wir fahren weiter. Der Zug gewinnt immer mehr an Fahrt, die Gleise lassen nun wohl eine grössere Geschwindigkeit zu. Die Dämmerung kündigt sich langsam an und schon passieren wir die erste Grenze, wir sind in Kroatien. Leute steigen ein, andere steigen aus und die Grenzbeamten kontrollieren die Pässe. Mit Spiegeln und Lampen wird unter die Sitze geschaut. Der Beamte sieht unsere roten Pässe mit weissem Kreuz und lächelt zufrieden. Bei der Ausreise scheint es keinen Stempel zu geben. Schade.

Wir fahren weiter und unsere Sitznachbarn kommen mit uns ins Gespräch. Zwei junge Männer aus Serbien. Wir sprechen über die Schweiz. Teilweise auf Englisch und teilweise auf Deutsch. Wir trinken ein bisschen Bier aus unseren 2L PET-Bierflaschen und sie trinken einen Schnaps. Wir sprechen über dies und das. Dann beginnt der eine seine Geschichte zu erzählen.

Er ist in Österreich aufgewachsen, mit einem serbischen Pass, hat sich dabei als Österreicher gefühlt, wie er uns erzählt. Sein Österreicherakzent ist deutlich hörbar. Als junger Erwachsener sei er regelmässig nach Serbien gefahren und habe Verwandte besucht. Vor dem Kosovokrieg liess ihn die serbische (damals jugoslawische) Behörde dann nicht mehr ausreisen. Er müsse nun seinen Militärdienst nachholen.

So musste er Militärdienst leisten, serbisch, dass er nur Ansatzweise sprach, lernen und kurz darauf, der Kosovokrieg war ausgebrochen, in den Krieg ziehen. Er erzählt nicht viel, bleibt stumm und erzählt erst wieder, was nach dem Krieg war. Er wollte wieder zurück nach Österreich, wollte wieder in seine alte, eigentliche Heimat, nur war er zulange „im Ausland“ und verlor dadurch seine Aufenthaltsberechtigung. Nun reist er regelmässig zu seinen Freunden und Bekannten nach Österreich in den Urlaub und Handelt dabei mit mitgebrachten Waren. In Österreich war er zuvor Koch, nun handelt er mit diesem und jenem und bringt sich so über die runden.

Ob dies die ganze Geschichte ist? Ob sich dies wirklich so abgespielt hat? Ich weiss es nicht. Das einzige was ich weiss ist, dass es da Grenzen gibt. Eine Grenze die Menschen trennt.

Und da kommt sie auch schon, eine weitere Grenze. Es ist die Schengenaussengrenze zwischen Kroatien und Slowenien. Der Zug hält in einem verschneiten Bahnhof. Rund 30 Beamte stehen um den Zug und betreten ihn kurz darauf. Die Kontrolle ist intensiver als diejenige in die andere Richtung. Jeder einzelne Pass wird per Funk überprüft, wirklich jeder? Nein, unsere Pässe mit Schweizerkreuz werden nur kurz angeschaut, dann ist es vorbei. Die Beamten nehmen Abdeckungen im Zuginnern ab und überprüfen diese. Nach rund 45 Minuten ist die Kontrolle vorbei. Die Botschaft ist klar: hier ist eine Grenze, hier entscheiden WIR wer rein kommt.

Der Zug fährt weiter und wir bekommen eine serbische Wurst angeboten und dann eine weitere geschenkt, ähnlich einer Salami. Und nachdem wir einiges an Bier getrunken haben sind wir auch schon in Innsbruck, es ist mitten in der Nacht, unsere Bekanntschaft verlässt den Zug und geht seinen Weg. Kurze Zeit später fahren auch wir weiter.

Nun, unsere zweite Bekanntschaft bleibt im Zug. Er wird uns bis nach Zürich begleiten und in der Schweiz Verwandte besuchen. Er zeigt uns Fotos seiner Disko. Er erzählt uns von seinen Projekten und wie er selbständig als Unternehmer arbeitet, zusammen mit seinem Bruder. Er wirkt überzeugt von seinen Ideen und doch schwingt Zweifel mit. Serbien ist wirtschaftlich schwach und es gibt keine Personenfreizügigkeit.

Irgendwann kommen wir zu einem bisschen Schlaf und schon bald sind wir in der Schweiz und welch ein Wunder: auch die Polizei erwartet uns, und wie schon zuvor wirken die Schweizerkreuze vertrauenserweckend und die serbischen Pässe werden wieder per Funk überprüft.

Grenze bleibt Grenze.